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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER DER KONFERENZ ZUM THEMA
"SCHUTZBEDÜRFTIGKEIT UND GEMEINSCHAFT ZWISCHEN AUFNAHME UND INKLUSION"

Sala Clementina
Freitag, 1. März 2024

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Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag und vielen Dank für euer Kommen!

In diesen Tagen habt ihr euch in der »Fraterna Domus« in Sacrofano für den zweiten »Lehrstuhl für Gastfreundschaft« getroffen. Das ist ein passender Ort! Nicht nur, weil er geräumig und gut ausgestattet ist: er ist passend, weil er einladend ist! Es ist ein Ort, an dem ältere Menschen, Familien, Jugendliche in Schwierigkeiten und Migranten willkommen geheißen werden. Deshalb ist es schön, dass die Schwestern der Vereinigung »Fraterna Domus« eine Art Motor und Animateure für dieser Initiative sind. Danke, liebe Schwestern!

Ich habe euer Programm für diese Tage gesehen: sehr reichhaltig und sehr interessant. In den Mittelpunkt habt ihr die Schutzbedürftigkeit gestellt. Das heißt, ihr habt – wie man in der Chemie sagen würde – Gastfreundschaft und Schutzbedürftigkeit in ihren verschiedenen Formen »reagieren« lassen. Ich schätze diese evangeliumsgemäße Wahl und möchte euch einige Anregungen zum Nachdenken und zur Umsetzung geben.

Zunächst einmal: Um schutzbedürftige Brüder und Schwestern willkommen zu heißen, muss ich mich als schutzbedürftig und von Christus als solcher willkommen geheißen fühlen. Immer geht er uns voraus: Er wurde verwundbar, bis zur Passion hin; er hat unsere Zerbrechlichkeit angenommen, damit wir dank ihm dasselbe tun können. Der heilige Paulus schreibt: »Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat« (vgl. Röm 15,7). Wenn wir in ihm bleiben, wie die Zweige am Weinstock, werden wir gute Früchte tragen, auch auf diesem weiten Feld der Gastfreundschaft.

Ein zweiter Anstoß. Jesus verbrachte den größten Teil seines öffentlichen Dienstes, besonders in Galiläa, im Kontakt mit den Armen und Kranken aller Art. Das sagt uns, dass Schutzbedürftigkeit für uns kein »politisch korrektes« Thema sein darf, oder eine bloße Organisation von Praktiken, so gut sie auch sein mögen. Ich sage das, weil leider diese Gefahr besteht, die gibt es immer, trotz aller guten Absichten. Besonders in größeren und strukturierteren Realitäten, aber auch in kleineren, kann Vulnerabilität zu einer bloßen Kategorie werden, Menschen werden zu gesichtslosen Individuen, Dienst wird zu einer »Leistung«, und so weiter. Dann müssen wir fest im Evangelium, in Jesus, verankert bleiben, der seine Jünger nicht gelehrt hat, Hilfe für Kranke und Arme zu planen. Jesus wollte die Jünger zu einer Lebenshaltung erziehen, indem sie mit den Schutzbedürftigen in Kontakt waren, unter ihnen lebten. Die Jünger sahen, wie er Menschen begegnete, sahen, wie er sie willkommen hieß: seine Nähe, sein Mitgefühl, seine Güte. Und nach der Auferstehung prägte der Heilige Geist diese Haltung in sie ein. So bildete der Geist dann Männer und Frauen heran, die Heilige wurden, indem sie schutzbedürftige Menschen so wie Jesus liebten. Einige sind heiliggesprochen und sind Vorbilder für uns alle; aber wie viele Männer und Frauen haben sich in der Aufnahme der Kleinen, der Armen, der Fragilen, der Marginalisierten geheiligt! Und es ist wichtig, in unseren Gemeinschaften die Geschichten dieser verborgenen Zeugen des Evangeliums in Einfachheit und Dankbarkeit zu teilen.

Ich möchte euch einen letzten Gedanken mitgeben. Im Evangelium sind die Armen, die schutzbedürftigen Menschen, keine Objekte, sondern Subjekte, sie sind zusammen mit Jesus Protagonisten bei der Verkündigung des Reiches Gottes. Denken wir an Bartimäus, den Blinden von Jericho (vgl. Mk 10,46-52). Diese Geschichte ist bezeichnend, ich lade euch ein, sie oft zu lesen, denn sie ist sehr reichhaltig. Beim Studieren und Nachdenken über diesen Text sehen wir, dass Jesus in diesem Mann den Glauben findet, den er suchte: nur Jesus erkennt ihn inmitten der Menge und des Lärms, hört seinen Ruf voll Glauben. Und dieser Mann, der für seinen Glauben an den Herrn wieder Sehkraft erhält, begibt sich auf den Weg, folgt Jesus und wird sein Zeuge, so sehr, dass seine Geschichte in die Evangelien aufgenommen wurde. Der schutzbedürftige Bartimäus, gerettet vom verwundbaren Jesus, nimmt an der Freude teil, ein Zeuge seiner Auferstehung zu sein. Ich habe euch diese Geschichte genannt, aber es gibt viele andere, mit unterschiedlichen Arten von Verwundbarkeit, nicht nur physischer. Denken wir an Maria Magdalena: Sie, die von sieben Dämonen gequält wurde, wurde zur ersten Zeugin des auferstandenen Jesus. Fassen wir also zusammen: Verwundbare Menschen, die mit der Gnade Christi und seiner Haltung in Be-rührung kommen und willkommen geheißen werden, können in der Gemeinschaft der Gläubigen und in der Gesellschaft Zeugen des Evangeliums sein. Liebe Brüder und Schwestern, ich danke euch für euer Engagement. Macht weiter so! Die Gottesmutter Maria möge euch stets begleiten. Ich segne euch alle von Herzen. Und bitte betet für mich. Danke.



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