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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

  

Jene, die die Türen öffnet

 Dienstag, 13. Mai 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 22, 30. Mai  2014

 

Der Heilige Geist ist stets am Werk. Es ist dann dem Christen überlassen, ob er ihn annimmt oder nicht. Aber es gibt einen Unterschied, und man kann ihn sehen: Wenn man ihn voller Fügsamkeit annimmt, dann lebt man in der Freude und öffnet sich den anderen Menschen gegenüber.

Die verschlossene Verhaltensweise einer »Aristokratie des Verstandes« hingegen, die vorgibt, die Dinge Gottes einzig und allein mit dem Kopf zu verstehen, führt zu einer Abgrenzung von der Wirklichkeit der Kirche. Das führt so weit, dass man nicht mehr glaubt, nicht einmal angesichts eines Wunders. Das sind die beiden einander diametral entgegengesetzten Haltungen, über die Papst Franziskus im Verlauf der Frühmesse am Dienstag, 13. Mai, in der Kapelle des Hauses Santa Marta sprach.

Die Schriftlesungen (Apg 11,19-26 und Joh 10,22-30) zeigen, wie der Bischof von Rom erläuterte, »ein Diptychon: zwei Gruppen von Menschen«. In der Lesung aus der Apostelgeschichte begegne man in erster Linie denen, »die versprengt worden waren aufgrund der nach dem Martyrium des heiligen Stephanus ausgebrochenen Verfolgung«. »Sie sind versprengt worden«, aber »sie tragen den Samen des Evangeliums überall hin«, richten sich allerdings nur an die Juden. »Und dann geschah es auf ganz natürliche Art und Weise«, so fuhr der Papst fort, »dass einige von ihnen, Leute aus Zypern und Zyrene, als sie in Antiochia angekommen waren, damit anfingen, auch mit den Griechen zu reden und ihnen zu verkünden, dass Jesus der Herr ist«. Und »so öffneten sie allmählich auch den Griechen, den Heiden die Türen«. Als diese Nachricht der Gemeinde von Jerusalem zu Ohren kam, schickte sie Barnabas nach Antiochia, »um einen Inspektionsbesuch vorzunehmen« und persönlich festzustellen, was da vorgehe. Die Apostelgeschichte berichte, »dass sich alle sehr gefreut« hätten und dass »eine beträchtliche Menge von Menschen für den Herrn gewonnen wurde«.

Kurz gesagt, so der Papst, um das Evangelium zu verkünden, »haben diese Menschen keineswegs gesagt: gehen wir erst zu den Juden, und dann zu den Griechen, dann zu den Heiden und schließlich zu allen übrigen«, sondern »sie ließen sich vom Heiligen Geist tragen: sie waren dem Heiligen Geist gegenüber fügsam«. Auf diese Art »ergibt sich eines aus dem anderen«, und dann »noch etwas, und noch etwas anderes«, und so »endet es damit, dass sie die Türen für alle öffnen«. Auch »für die Heiden«, so präzisierte der Papst, »die ihrer Vorstellung nach unrein waren«. Diese Christen »öffneten die Türen für alle Menschen«, ohne irgendeinen Unterschied zu machen. Und das, so erläuterte der Papst, »ist die erste Gruppe von Menschen«, die in der Liturgie vorgestellt wird. Sie setze sich zusammen aus Menschen, die »dem Heiligen Geist gegenüber fügsam « seien, die »vorangehen, wie es Paulus getan hat«, mit einer »gewissen Natürlichkeit«. Denn, so bemerkte er, »manchmal drängt uns der Heilige Geist dazu, außergewöhnliche Dinge zu tun, so wie er Philippus drängte, hinzugehen und diesen hohen Herrn aus Äthiopien zu taufen« und »wie er Petrus dazu gedrängt hat, hinzugehen und Kornelius zu taufen«. Andere »Male trägt uns der Heilige Geist mit Sanftheit«. Daher bestehe die wahre Tugend darin, »sich vom Heiligen Geist tragen zu lassen: dem Heiligen Geist keinen Widerstand entgegensetzen, dem Heiligen Geist gegenüber fügsam sein«. Allerdings in der Gewissheit, dass »der Heilige Geist heute in der Kirche wirkt, dass er heute in unserem Leben wirkt«.

Vielleicht, so fuhr der Heilige Vater fort, »könnte jemand von euch zu mir sagen: Ich habe ihn noch niemals gesehen! Gib acht auf das, was geschieht, auf das, was dir in den Sinn kommt, was dein Herz dir sagt: wenn es gute Dinge sind, dann ist es der Geist, der dich dazu auffordert, diesen Weg einzuschlagen«. Aber natürlich »bedarf es dem Heiligen Geist gegenüber der Fügsamkeit«. Und dann die zweite Gruppe von Menschen aus dem »Diptychon« der Liturgie. Eine Gruppe, die sich, wie der Bischof von Rom erläuterte, »aus Intellektuellen« zusammensetze, »die sich Jesus im Tempel näherten: die Schriftgelehrten«. Es seien Männer, die »stets irgendein Problem wälzten, da sie nie zu einem Verstehen gelangten: sie kreisten um die stets gleichen Dinge, weil sie glaubten, dass die Religion eine Sache des Kopfes sei, des Gesetzes, Gebote aufstellen, Gebote erfüllen und nichts weiter«. Diese Menschen, so fuhr der Papst fort, »dachten nicht, dass es den Heiligen Geist gab«. Und daher – so stehe im Johannesevangelium – »näherten sie sich Jesus, umringten ihn und fragten: ›Wie lange noch willst du uns hinhalten? Wenn du der Messias bist, sag es uns offen!‹« Worauf »Jesus ihnen ganz natürlich antwortete: ›Ich habe es euch gesagt, ihr aber glaubt nicht. Die Werke, die ich im Namen meines Vaters vollbringe, legen Zeugnis für mich ab.‹« Als wolle er sagen: »Schaut euch die Wunderheilungen an, schaut die Dinge an, die ich vollbringe, hört auf die Worte, die ich sage!« Diese Männer hingegen hätten »nur auf das geschaut, was sie im Kopf hatten«. Und so »wälzten sie Argumentationen, wollten diskutieren«. Tatsächlich spielte sich für sie »alles im Kopf ab, ist alles Intellekt«.

Das Problem sei, so der Papst, dass »es in diesen Menschen kein Herz gibt, keine Liebe zur Schönheit, keine Harmonie. Das sind Leute, die nichts als Erläuterungen wollen.« Aber selbst wenn »du ihnen Erläuterungen gibst«, dann kommen sie, »da sie nicht überzeugt sind, gleich mit einer weiteren Frage zurück«. Auf diese Art »kreisen sie, kreisen sie, wie sie das ganze Leben lang um Jesus gekreist sind, bis zu dem Augenblick, in dem es ihnen gelang, ihn zu töten«. Es handle sich hier um Menschen, so fuhr er fort, die »ihr Herz dem Heiligen Geist nicht öffnen« und die »glauben, dass man die Dinge Gottes ausschließlich mit dem Kopf verstehen kann, mit den Ideen, mit den eigenen Vorstellungen: sie sind stolz, sie glauben, alles zu wissen, und das, was ihr Verstand nicht fassen kann, ist für sie nicht wahr«. Das gehe so weit, dass »du vor ihren Augen einen Toten auferwecken kannst, aber sie glauben trotzdem nicht!« Im Evangelium sei zu sehen, dass »Jesus weitergeht und sehr eindrückliche Worte sagt: Warum glaubt ihr nicht? Ihr glaubt nicht, weil ihr nicht zu meinen Schafen gehört! Ihr glaubt nicht, weil ihr nicht zum Volk Israel gehört, ihr habt das Volk verlassen.« Und er fährt fort: »Ihr haltet euch für rein, und könnt nicht so glauben!« Der Herr hebt ganz klar ihr Verhalten hervor, das »das Herz verschließt«: aus diesem Grund »haben sie das Volk verleugnet«. Jesus sagt zu ihnen: »Ihr seid wie eure Väter, die die Propheten getötet haben!«

Denn »wenn ein Prophet kam, der etwas sagte, das ihnen nicht gefiel, dann töteten sie ihn!« Der Papst machte darauf aufmerksam, dass das eigentliche Problem darin bestehe, dass »sich diese Leute vom Volk Gottes abgespalten hatten und daher nicht mehr glauben konnten«. In der Tat »ist der Glaube eine Gabe Gottes, aber der Glaube kommt dann, wenn du in seinem Volk bist; wenn du jetzt in der Kirche bist; wenn dir durch die Sakramente, durch die Brüder, durch die Gemeinde geholfen wird; wenn du glaubst, dass diese Kirche das Volk Gottes ist«. Dagegen »diese Leute hatten sich abgespalten, sie glaubten nicht an das Volk Gottes: sie glaubten nur an ihre eigenen Dinge und so hatten sie sich ein ganzes System von Geboten entworfen, die die Menschen verjagten und niemanden in die Kirche, in das Volk eintreten ließen«. Mit dieser Einstellung »war es ihnen unmöglich zu glauben«, und das sei die Sünde des »Widerstandes gegen den Heiligen Geist«.

Das, so wiederholte der Papst, sind »diese beiden Gruppen von Menschen«. Auf der einen Seite seien »die Menschen der Sanftmut: die sanften, demütigen, offenen und dem Heiligen Geist gegenüber fügsamen Menschen«. Auf der anderen Seite hingegen seien »stolze, hochfahrende, hochmütige, vom Volk abgetrennte Leute, eine Aristokratie des Verstandes, die die Türen verschlossen hat und dem Heiligen Geist Widerstand leistet«. Sie seien nicht »nur starrköpfig, sondern sehr viel mehr: sie haben ein hartes Herz.« Und das sei sogar »noch gefährlicher«. Jesus warne sie, indem er ihnen ausdrücklich sage: »Ihr habt ein hartes Herz«; und er sage dies »auch zu den Emmaus-Jüngern«.

Mit dem Blick auf diese beiden Gruppen, so schloss Papst Franziskus, »bitten wir den Herrn um die Gnade der Fügsamkeit dem Heiligen Geist gegenüber, um im Leben vorangehen zu können, um kreativ zu sein, um voller Freude zu sein«. Die Hartherzigen hingegen seien nicht voller Freude, sondern stets ernst. Und, so warnte der Papst, »wenn sehr viel Ernsthaftigkeit herrscht, dann ist der Geist Gottes abwesend«. Wir sollten also den Herrn »um die Gabe der Fügsamkeit« bitten und »um den Beistand des Heiligen Geistes, damit er uns helfe, uns gegen diesen anderen bösen Geist der Überheblichkeit, des Stolzes, des Hochmuts zu verteidigen, gegen diese Verschließung des Herzens gegenüber dem Heiligen Geist.«

 


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