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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE GEMEINSCHAFT DES PÄPSTLICHEN
LOMBARDISCHEN PRIESTERSEMINARS ROM

Clementina-Saal
Montag, 25. Januar 2016

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Liebe Brüder und Schwestern!

Ich begrüße euch herzlich und danke Kardinal Scola für seine freundlichen Worte. Ich freue mich, euch aus Anlass des 50. Jahrestages der Errichtung des derzeitigen Seminargebäudes zu begegnen: Ihr feiert also im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit auch ein Jubiläum eures Dankes an Gott, jenen Felsen, auf den wir unser Leben bauen sollen, denn »die Treue des Herrn währt in Ewigkeit« (vgl. Ps 117,2). Vergesst das nicht: Gott ist reich an Treue.

Der selige Paul VI. segnete das Lombardische Priesterseminar am 11. November 1965, damit auf dem Höhepunkt des II. Vatikanischen Konzils – in dessen Verlauf die Väter deutlich erkannten, dass »Mauern, die die Kirche allzu lange in einer privilegierten Festung eingeschlossen hatten, [eingerissen wurden], und die Zeit gekommen [war], um das Evangelium auf neue Weise zu verkünden« (Misericordiae vultus, 4) – dieses neue Gebäude bezogen werden konnte. So bereitet auch ihr euch in euren »römischen Jahren«, die nicht nur das Studium, sondern auch die eigentliche Priesterausbildung umfassen, darauf vor, jenem Impuls des Heiligen Geistes zu folgen, um gemäß dem Willen Gottes »die Zukunft der Kirche« zu werden, und zwar nicht den Vorlieben jedes Einzelnen bzw. den augenblicklichen Moden folgend, sondern so, wie es die Verkündigung des Evangeliums verlangt. Sich gut hierauf vorzubereiten erfordert gründliches Arbeiten, aber vor allem eine innere Umkehr, die den Priester jeden Tag von Neuem im ersten Ruf Jesu wurzeln lassen und in seiner persönlichen Beziehung zu ihm neu beleben möge, ganz so wie es der Apostel Paulus tat, dessen Bekehrung wir heute gedenken. In diesem Zusammenhang möchte ich eure Aufmerksamkeit auf ein Vorbild lenken, das ihr bereits bestens kennt: den heiligen Karl Borromäus.

Pater De Certeau hat sein Leben als ein stetes »Streben nach Umkehr« dargestellt, die darauf abzielte, das Bild des Hirten wiederzuspiegeln: »Er identifizierte sich mit diesem Bild, er nährte es mit seinem Leben, da er wusste, dass der Diskurs im wirklichen Leben um den Preis des Blutes erkauft wird, sanguinis ministri: das waren für ihn die wahren Priester. Er schuf also das Bild, indem er sich darin verlor. Er wandte all seine ›Leidenschaft‹ dafür auf, es zu zeichnen« (Dizionario biografico degli italiani, XX, 1977, S. 263). So wurde das große Werk der Theologen jener Zeit, das in der Abhaltung des Konzils von Trient seinen Höhepunkt fand, von heiligen Oberhirten wie Borromäus in die Praxis umgesetzt. Liebe Freunde, ihr seid die Erben und Zeugen einer großartigen Geschichte der Heiligkeit, deren Wurzeln in euren Schutzpatronen, den Bischöfen Ambrosius und Karl, gründen und die in jüngerer Zeit sogar unter den Seminaristen drei Selige und drei ehrwürdige Diener Gottes gesehen hat. Das ist das Ziel, nach dem man streben sollte!

Es kommt allerdings oft vor, dass man auf dem Weg auf eine Versuchung trifft, die es zurückzuweisen gilt: die Versuchung der »Normalität«, die Versuchung, ein Priester zu sein, der sich mit einem »normalen« Leben begnügt. Dieser Priester fängt dann an, sich damit zu begnügen, hier und da etwas Aufmerksamkeit zu erwecken, er beurteilt sein Priesteramt dann auf der Grundlage seines Erfolges und gibt sich der Suche nach seinen eigenen Vergnügungen hin, wobei er den anderen Menschen gegenüber lau wird und kein wahres Interesse mehr an ihnen zeigt. Dabei ist die »Normalität« für uns die seelsorgerische Heiligkeit, die Hingabe des Lebens. Wenn sich ein Priester dafür entscheidet, nur ein ganz normaler Mensch zu sein, dann wird er ein mittelmäßiger Priester sein, oder sogar ein schlechter. Der heilige Karl wünschte sich Seelsorger, die Diener Gottes und Väter des Volkes sein sollten, vor allem aber Väter der Armen.

Aber – es tut uns immer gut, daran zu denken – nur derjenige kann Worte des Lebens verkünden, der sich in seinem eigenen Leben stets mit dem Wort Gottes auseinandersetzt, oder, besser gesagt: mit Gott, der zu uns spricht. In diesen Jahren besteht eure Aufgabe darin, euch in diesem Dialog des Lebens zu üben: die Beherrschung der einzelnen Disziplinen, die ihr studiert, ist kein Selbstzweck, sondern sie muss im Zwiegespräch des Gebets und in der ganz realen Begegnung mit den Menschen konkretisiert werden. Es bringt nichts, »abgeschottet« zu studieren; Gebet, Kultur und Seelsorge sind wichtige Bausteine eines einzigen Gebäudes: sie müssen immer fest zusammenstehen, um sich gegenseitig zu stützen, untereinander gut mit Mörtel verfugt, damit die heutigen Priester und jene, die es morgen sein werden, spirituelle Männer und barmherzige Seelsorger sein mögen, die innerlich durch die Liebe des Herrn vereint und dazu imstande sein mögen, die Freude des Evangeliums im einfachen Leben zu verkündigen. Heutzutage scheint die Evangelisierung erneut den Weg der Einfachheit einschlagen zu müssen. Eine Einfachheit des Lebens, die jede Form der Falschheit und der Weltlichkeit vermeiden soll und die in der genuinen Gemeinschaft mit dem Herrn und mit unseren Brüdern ihr Genügen findet; Einfachheit der Sprache: keine Prediger komplizierter Lehren, sondern Verkünder Christi, der für uns gestorben und auferstanden ist.

Ein weiterer grundlegender Aspekt, den ich hervorheben möchte, damit man ein guter Priester sein kann, ist der Kontakt und die Nähe zum Bischof. Ein Merkmal des Diözesanpriesters ist gerade das Zugehörigkeitsgefühl zur Diözese, und diese Zugehörigkeit zur Diözese findet ihren Eckstein im häufigen Austausch mit dem Bischof, im Dialog und in der gemeinsamen Einschätzung der Verhältnisse. Ein Priester, der keinen regen Austausch mit seinem Bischof hat, isoliert sich allmählich von der diözesanen Gemeinschaft, und dann nimmt seine Fruchtbarkeit ab, und zwar gerade deshalb, weil er keinen Dialog führt mit dem Vater der Diözese. Schließlich möchte ich euch noch sagen, dass ich mich nicht nur über euer ausgeprägtes Engagement beim Studium freue, sondern auch über die globale Dimension eurer Gemeinschaft: ihr kommt aus verschiedenen Regionen Italiens, aus Afrika, aus Lateinamerika, aus Asien und aus weiteren europäischen Ländern. Ich wünsche euch, dass ihr die Schönheit der Freundschaft und die Kunst, Beziehungen anzuknüpfen, pflegt, um eine Priesterbruderschaft zu bilden, die stärker ist als die spezifischen Unterschiede. Auf diese Weise macht ihr dieses Haus zu einem Ort der Gastfreundschaft und der Bereicherung. Von nun an werde ich immer dann, wenn ich die Basilika Santa Maria Maggiore besuche, an diese Begegnung denken und vor der Jungfrau und Mutter euer gedenken. Aber bitte vergesst nicht, auch für mich zu beten! Danke.

 



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