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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
NACH ECUADOR, BOLIVIEN UND PARAGUAY

(5.-13. JULI 2015)

BEGEGNUNGEN MIT DEN REGIERUNGSVERTRETERN UND DEM DIPLOMATISCHEN KORPS

ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS

Gärten des "Palácio de López", Asunción (Paraguay)
Freitag, 10. Juli 2015

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Herr Präsident,
verehrte Vertreter der Republik,
sehr geehrte Mitglieder des Diplomatischen Korps,
meine Damen und Herren,

herzlich grüße ich Eure Exzellenz, Herr Präsident der Republik, und danke Ihnen für die ehrerbietigen Worte der Begrüßung und der Verbundenheit, die Sie, auch im Namen der Regierung, der staatlichen Organe und des geliebten paraguayischen Volkes, an mich gerichtet haben. Ich grüße ebenso die verehrten Mitglieder des Diplomatischen Korps und übermittle durch sie ihren jeweiligen Ländern meine Hochachtung und Wertschätzung.

Ein besonderer Dank gilt allen Menschen und Einrichtungen, die mit Einsatz und Hingabe an der Vorbereitung dieser Reise mitgearbeitet haben und dafür, dass ich mich wie zu Hause fühle. Und es fällt einem nicht schwer, sich in diesem so gastfreundlichen Land zu Hause zu fühlen. Paraguay ist bekannt als das Herz Amerikas, und dies nicht nur wegen seiner geographischen Lage, sondern auch wegen der herzlichen Gastfreundschaft und der Nähe seiner Menschen.

Seit ihren ersten Schritten als unabhängige Nation und bis vor kurzer Zeit hat die Geschichte Paraguays das schreckliche Leid des Kriegs, der bruderkriegsmäßigen Auseinandersetzung, der fehlenden Freiheit und der Verletzung der Menschenrechte gekannt. Wie viel Schmerz und wie viel Tod! Bewundernswert sind aber die Zähigkeit und der Überwindungsgeist des paraguayischen Volkes, um sich angesichts der vielen Widrigkeiten zu erholen und die Bemühungen fortzusetzen, eine blühende und friedliche Nation aufzubauen. Im Garten dieses Palastes, der Zeuge der paraguayischen Geschichte war von der Zeit, als er nur das Ufer des Flusses war und von den Guarani genutzt wurde, bis zu den jüngsten Ereignissen unserer Tage – hier will ich den Tausenden von einfachen Paraguayern Hochachtung zollen, deren Namen nicht in den Geschichtsbüchern aufscheinen, die aber echte Hauptfiguren ihres Volkes waren und bleiben. Und bewegt und voll Bewunderung möchte ich die Rolle anerkennen, die in jenen so dramatischen Momenten der Geschichte von der paraguayischen Frau gespielt wurde – in besonderer Weise jener ungerechte Krieg, der fast dazu führte, das brüderliche Verhältnis unter unseren Völkern zu zerstören. Auf den Schultern von Müttern, Ehefrauen und Witwen haben sie die größte Last getragen, waren sie in der Lage, ihre Familien und ihr Land voranzubringen, während sie den jungen Generationen die Hoffnung auf ein besseres Morgen einflößten. Gott segne die paraguayische Frau, die ruhmreichste Amerikas.

Ein Volk, das seine Vergangenheit, seine Geschichte, seine Wurzeln vergisst, hat keine Zukunft; es ist ein verdorrtes Volk. Das Gedächtnis, das fest auf der Gerechtigkeit gegründet ist, vertreibt Gefühle der Rache und des Hasses, verwandelt die Vergangenheit in eine Quelle der Inspiration, um eine Zukunft des Miteinanders und der Harmonie aufzubauen, während es uns die Tragödie und Sinnlosigkeit des Krieges bewusst macht. Nie mehr Krieg unter Brüdern! Bauen wir immer den Frieden auf! Auch den Frieden von Tag zu Tag, den Frieden des täglichen Lebens, an dem wir alle teilnehmen, indem wir arrogante Gesten, beleidigende Worte, überhebliches Verhalten vermeiden und stattdessen das Verständnis, den Dialog und die Zusammenarbeit fördern.

Seit einigen Jahren engagiert sich Paraguay am Aufbau eines soliden und stabilen demokratischen Entwurfs. Und es ist recht, die vielen Fortschritte, die dank der Anstrengung aller, auch inmitten großer Schwierigkeiten und Unsicherheiten, auf diesem Weg gemacht worden sind, mit Genugtuung anzuerkennen. Ich ermuntere Sie, mit allen Ihren Kräften weiter zu arbeiten, um die demokratischen Strukturen und Einrichtungen zu festigen, die den gerechtfertigten Wünschen der Bürger entsprechen. Die in Ihrer Konstitution angenommene Regierungsform einer „repräsentativen, partizipativen und pluralistischen Demokratie“, die auf der Förderung und der Achtung der Menschenrechte basiert, hält uns von der Versuchung einer rein formalen Demokratie fern, welche Aparecida als jene bezeichnet hat, die sich damit begnügt, dass sie „sich auf sauber durchgeführte Wahlprozeduren gründet“ (Dokument von Aparecida 2007, 74). Das wäre eine formale Demokratie!

In allen Gesellschaftsbereichen, besonders aber im öffentlichen Leben, muss der Dialog als bevorzugtes Mittel verstärkt werden, um das Gemeinwohl auf der Grundlage der Begegnungskultur, der Achtung und der Anerkennung der legitimen Unterschiede und Meinungen der anderen zu fördern. Wir dürfen nicht in der Konfliktsituation verbleiben, die Einheit wiegt immer mehr als der Konflikt. Es ist eine interessante Übung, in der Liebe zur Heimat, in der Liebe zum Volk jede Sichtweise zu läutern, die von Überzeugungen einer parteiischen oder ideologischen Option stammt. Und in derselben Liebe muss der Anreiz liegen, jeden Tag mehr an transparenten Handlungsweisen zu wachsen, die kraftvoll gegen die Korruption ankämpfen. Ich weiß, dass ein fester Wille besteht, die Korruption heute aus der Welt zu schaffen.

Liebe Freunde, beim Wunsch, dem Gemeinwohl zu dienen und dafür zu arbeiten, müssen die Armen und die Bedürftigen einen vorrangigen Platz einnehmen. Es werden gerade viele Anstrengungen unternommen, damit Paraguay auf dem Weg des wirtschaftlichen Wachstums voranschreitet. Es wurden wichtige Schritte auf dem Gebiet des Bildungs- und Gesundheitswesens gemacht. Mögen diese Bemühungen aller gesellschaftlichen Handlungsträger nicht aufhören, bis es nicht mehr Kinder ohne Bildungszugang gibt, Familien ohne Heim, Arbeiter ohne menschenwürdige Arbeit, Landwirte ohne urbares Land und so viele Menschen, die zur Migration auf eine unsichere Zukunft hin gezwungen sind; bis es nicht mehr Opfer von Gewalt, Korruption und Drogenhandel gibt. Eine wirtschaftliche Entwicklung, welche die Schwächsten und am meisten Benachteiligten nicht berücksichtigt, ist keine echte Entwicklung. Das Maß des Wirtschaftsmodells hat die unversehrte Würde der Person zu sein, vor allem die des am meisten verletzlichen und schutzlosen Menschen.

Herr Präsident, liebe Freunde, auch im Namen meiner Mitbrüder, der Bischöfe Paraguays, möchte ich Sie des Einsatzes und der Zusammenarbeit der Kirche versichern im gemeinsamen Bemühen, eine gerechte und inklusive Gesellschaft aufzubauen, in der man in Frieden und Harmonie zusammenleben kann. Denn wir alle, auch die Hirten der Kirche, sind berufen, uns um den Aufbau einer besseren Welt zu kümmern (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 183). Dazu treibt uns die Gewissheit unseres Glaubens an Gott, der Mensch werden, unter uns leben und unser Los teilen wollte. Christus öffnet uns den Weg der Barmherzigkeit, die, auf die Gerechtigkeit gestützt, weiter hinaus geht und die Nächstenliebe erleuchtet, damit niemand am Rand dieser großen Familie bleibt, die Paraguay ist, das Sie lieben und dem Sie dienen wollen.

In übergroßer Freude darüber, dass ich in diesem Land bin, das Unserer Lieben Frau von Caacupé geweiht ist, – und ich möchte auch besonders an meine paraguayischen Brüder und Schwestern in Buenos Aires, meiner früheren Diözese, denken, die dort die Pfarrei zu Unserer Lieben Frau der Wunder von Caacupé haben – erbitte ich Ihnen allen, Ihren Familien und dem gesamten geliebten paraguayischen Volk Gottes Segen. Möge Paraguay fruchtbar sein, wie es die Blüte der Passionsblume auf dem Mantel der Jungfrau Maria anzeigt, und so wie das Band in den paraguayischen Farben auf dem Gnadenbild möge es sich an der Mutter von Caacupé festhalten. Vielen Dank.

 

 



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