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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
NACH KUBA, IN DIE VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
UND BESUCH DER VEREINTEN NATIONEN

(19.-28. SEPTEMBER 2015)
 

VESPERFEIER MIT DEM KLERUS UND DEN ORDENSLEUTEN

PREDIGT DES HEILIGEN VATERS

Kathedrale St. Patrick, New York
Donnerstag, 24. September 2015

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Zwei Gedanken verbinden mich heute mit meinen islamischen Brüdern und Schwestern. Als Erstes mein Gruß anlässlich ihrer heutigen Feier des Opferfestes. Ich möchte diesen Gruß mit besonderer Herzlichkeit ausdrücken. Das zweite ist mein Mitgefühl und meine Nähe angesichts der Tragödie, die ihr Volk heute in Mekka erlitten hat. In diesem Moment des Gebetes verbinde ich mich und verbinden wir uns in der Anrufung Gottes, unseres allmächtigen und barmherzigen Vaters.  

Hören wir nun den Apostel: »Seid […] voll Freude, obwohl ihr jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müsst« (1 Petr 1,6). Diese Worte erinnern uns an etwas Wesentliches: Wir müssen unsere Berufung freudig leben.

Diese schöne St. Patrick’s Cathedral, die im Laufe vieler Jahre dank dem Opfer zahlreicher Männer und Frauen erbaut wurde, ist ein Symbol der Arbeit von Generationen amerikanischer Priester, Ordensleute und Laien, die zum Aufbau der Kirche in den Vereinigten Staaten beigetragen haben. Viele Priester und gottgeweihte Personen dieses Landes haben eine grundlegende Rolle auf dem Gebiet des Erziehungswesens – und nicht nur dort! – gespielt, indem sie den Eltern halfen, ihren Kindern die Nahrung fürs Leben zu vermitteln. Viele taten es unter großen Opfern und mit heroischer Liebe. Ich denke zum Beispiel an die heilige Elizabeth Ann Seton, die Mitgründerin der ersten schulgeldfreien katholischen Mädchenschule in den Vereinigten Staaten, oder an den heiligen John Neumann, den Gründer des ersten katholischen Erziehungssystems in diesem Land.

Heute Abend, liebe Brüder und Schwestern, bin ich gekommen, um mit euch Priestern und gottgeweihten Frauen und Männern dafür zu beten, dass unsere Berufung weiterhin das große Gebäude des Gottesreiches in diesem Land aufbauen möge. Ich weiß, dass ihr als Priestergemeinschaft gemeinsam mit dem Volk Gottes in letzter Zeit sehr unter der Schande gelitten habt, die von vielen Mitbrüdern verursacht wurde, welche die Kirche in ihren wehrlosesten Kindern verletzt und empört haben. Mit den Worten der Geheimen Offenbarung sage ich: Ihr kommt »aus der großen Bedrängnis« (7,14). Ich begleite euch in diesem schmerzlichen und schwierigen Moment, und zugleich danke ich Gott für den Dienst, den ihr in der Begleitung des Gottesvolkes leistet. In der Absicht, euch zu helfen, den Weg der Treue zu Jesus Christus fortzusetzen, erlaube ich mir, zwei kurze Überlegungen anzustellen.

Die erste betrifft den Geist der Dankbarkeit. Die Fröhlichkeit der Männer und Frauen, die Gott lieben, zieht die anderen an; Priester und gottgeweihte Personen müssen eine ständige Freude über ihre Berufung entdecken und ausstrahlen. Die Fröhlichkeit entspringt einem dankbaren Herzen. Wir haben wahrhaftig viel empfangen, so viel Gnade, so viel Segen, und wir freuen uns darüber. Es wird uns gut tun, mit der Gnade der Erinnerung auf unser Leben zurückzublicken. Die Erinnerung an jene erste Berufung, die Erinnerung an den zurückgelegten Weg, die Erinnerung an so viele empfangene Gnaden…, und vor allem die Erinnerung an die Begegnung mit Jesus Christus in vielen Momenten während unseres Weges. Die Erinnerung an das betroffene Staunen, das die Begegnung mit Jesus Christus in unserem Herzen auslöst. Liebe Schwestern und Brüder, Gottgeweihte und Priester, erbittet die Gnade der Erinnerung, um den Geist der Dankbarkeit wachsen zu lassen. Fragen wir uns: Bin ich fähig, die erhaltenen Segenserweise aufzuzählen, oder habe ich sie vergessen?

Ein zweiter Aspekt ist der Geist des Fleißes. Ein dankbares Herz sucht spontan, dem Herrn zu dienen und einen Lebensstil zu pflegen, der von intensiver Arbeit geprägt ist. Die Erinnerung an das Viele, was Gott uns geschenkt hat, hilft uns zu begreifen, dass der Verzicht auf uns selbst, um für ihn und für die anderen zu arbeiten, der vorzügliche Weg ist, auf seine große Liebe zu antworten.

Doch um ehrlich zu sein, müssen wir zugeben, wie leicht dieser Geist des großherzigen persönlichen Opfers verlöschen kann. Das kann auf zwei Arten geschehen, und beide sind ein Beispiel für die „weltliche Spiritualität“, die uns auf unserem Weg des Dienens als gottgeweihte Frauen und Männer schwächt und die Faszination, das Staunen über die erste Begegnung mit Jesus Christus verdunkelt.

Wir können in die Falle geraten, den Wert unserer apostolischen Bemühungen nach den Kriterien der Effizienz, der Funktionsfähigkeit und des äußeren Erfolgs zu messen, welche die Geschäftswelt vorschreibt. Sicher, diese Dinge sind wichtig. Es ist uns eine große Verantwortung übertragen worden, und zu Recht erwartet das Volk Gottes von uns, dass wir ihr entsprechen. Doch der wahre Wert unseres Apostolats wird daran gemessen, was er in den Augen Gottes gilt. Die Dinge aus der Perspektive Gottes zu sehen und zu beurteilen verlangt, dass wir ständig zum Anfang unserer Berufung zurückkehren und – das muss nicht eigens gesagt werden – es verlangt eine große Demut. Das Kreuz zeigt uns eine andere Weise, den Erfolg zu messen: Unsere Aufgabe ist, zu säen, und Gott sieht die Früchte unserer Mühen. Wenn es uns manchmal scheinen mag, als zerfalle all unser Mühen und Arbeiten und bringe keine Frucht, dann müssen wir uns daran erinnern, dass wir Jesus nachfolgen,  dessen Leben – menschlich gesprochen – in einem Scheitern endete: im Scheitern am Kreuz.

Die andere Gefahr kommt auf, wenn wir eifersüchtig auf unsere Freizeit bedacht sind. Wenn wir meinen, dass die weltlichen Annehmlichkeiten uns helfen werden, besser zu dienen. Das Problem dieser Argumentationsweise liegt darin, dass sie dem ständigen Ruf Gottes  zur Umkehr, zur Begegnung mit ihm seine Kraft nehmen kann. Nach und nach, aber unerbittlich nimmt unsere Opferbereitschaft, unsere Bereitschaft zu Verzicht und Arbeit ab. Und außerdem entfernt es uns von den Menschen, die unter materieller Armut leiden und gezwungen sind, größere Opfer zu bringen als wir, ohne dass sie gottgeweiht sind. Die Erholung ist notwendig, ebenso wie eine Zeit der Muße und des persönlichen „Auftankens“, doch wir müssen lernen, uns in einer Weise zu erholen, die unseren Wunsch, großherzig zu dienen, verstärkt. Die Nähe zu den Armen, den Flüchtlingen, den Immigranten, den Kranken, den Ausgebeuteten, den unter der Einsamkeit leidenden alten Menschen, den Gefangenen und vielen anderen Armen Gottes wird uns eine andere Art der Erholung lehren, die christlicher und großherziger ist.

Dankbarkeit und Fleiß: Das sind die beiden Säulen des geistlichen Lebens, die ich heute Abend mit euch Priestern und Ordensleuten teilen wollte. Ich danke euch für eure Gebete und für eure Arbeit wie auch für die täglichen Opfer, die ihr in den verschiedenen Bereichen des Apostolats bringt. Viele von ihnen kennt nur Gott, aber sie bringen reiche Frucht für das Leben der Kirche.

In besonderer Weise möchte ich den Ordensfrauen der Vereinigten Staaten meine Bewunderung und meinen Dank ausdrücken. Was wäre die Kirche ohne euch? Starke Frauen, Kämpferinnen – mit diesem mutigen Geist, der sie an die vorderste Front der Verkündigung des Evangeliums stellt. Euch, ihr Ordensfrauen, Schwestern und Mütter dieses Volkes, möchte ich Dank sagen, ein ganz großes „Danke!“…, und euch auch sagen, dass ich euch sehr gern habe.

Ich weiß, dass viele von euch vor der Herausforderung der Anpassung an ein in der Entwicklung befindliches pastorales Panorama stehen. Genauso wie der heilige Petrus bitte ich euch, dass ihr angesichts jeglicher Prüfung, mit der ihr euch auseinandersetzen müsst, nicht den Frieden verliert und ebenso reagiert wie Christus: Er dankte dem Vater, nahm sein Kreuz und blickte nach vorn.

Liebe Brüder und Schwestern, in wenigen Minuten werden wir das Magnificat singen. Legen wir der Jungfrau Maria das Werk in die Hände, das uns anvertraut wurde. Schließen wir uns ihrem Dank an den Herrn an für das Große, das er getan hat und weiter tun wird – in uns und in allen, denen zu dienen wir das Privileg haben. So sei es.




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