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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Das verborgene Reich Gottes

Donnerstag, 16. November 2017

 

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 50, 15. Dezember 2017)

 

Eine Aufforderung kommt in den Betrachtungen von Papst Franziskus bei den Messen in Santa Marta, häufig vor, und das ist die Einladung zu einer Gewissenserforschung zum Thema: »Wie steht es um meine Beziehung zum Heiligen Geist?« Auch in der Predigt am 16. November unterbreitete der Papst diese Frage, verbunden mit einer besonderen Erweiterung: »Glaube ich wirklich, dass der Geist in mir das Reich Gottes wachsen lässt?«

Das Reich Gottes war das Thema der Betrachtung, die vom Abschnitt aus dem Evangelium nach Lukas (17,20-25) ausging, in dem die Gesetzeslehrer Jesus fragen: »Du verkündest das Reich Gottes, wann aber wird das Reich Gottes kommen?« Dies sei eine Frage, so der Papst, die auch »der Neugier vieler Leute« entsprochen habe, eine »einfache« Frage, »die aus einem guten Herzen, aus dem Herzen eines Jüngers heraus entsteht«. Es handle sich keineswegs zufällig um eine im Evangelium häufig vorkommende Frage, zum Beispiel in jenem »so schlimmen, finsteren« Augenblick, als Johannes der Täufer in der Finsternis des Kerkers war, »nicht verstand, voller Angst«, und seine Jünger sendet, um den Herrn zu fragen: »Nun sag, bist du es oder müssen wir auf einen anderen warten? Ist das Reich Gottes gekommen oder ein anderes Reich?« Oft stelle sich der Zweifel hinsichtlich des »Wann« ein, wie dies in der »höhnischen, hochmütigen, bösen« Aufforderung des Verbrechers geschehe, der neben Jesus gekreuzigt worden war: »Wenn du es bist, dann steig vom Kreuz herab!« Dies sei Ausdruck der »Neugier« hinsichtlich der Frage: »Wann kommt das Reich Gottes?«

Die Antwort Jesu laute: »Das Reich Gottes ist mitten unter euch.« So wurde beispielsweise, erinnerte Franziskus, »das Reich Gottes in der Synagoge von Nazareth verkündet, jene frohe Botschaft, als Jesus den Abschnitt aus Jesaja liest und hinzufügt: ›Heute hat sich das Schriftwort mitten unter euch erfüllt.‹« Eine frohe und vor allem »einfache« Botschaft. Denn »das Reich Gottes wächst im Verborgenen«, so dass Jesus selbst dies mit dem Gleichnis des Samenkorns erkläre: »Keiner weiß wie«, aber Gott lasse es wachsen. Es sei ein Reich, das »von innen her wächst, im Verborgenen. Es ist verborgen wie ein Edelstein oder ein Schatz, doch immer in der Demut.«

An diesem Punkt kam der Papst zum entscheidenden Abschnitt seiner Betrachtung: »Wer schenkt diesem Samen das Wachstum, wer lässt ihn aufkeimen? Gott, der Heilige Geist, der in uns ist.« Eine Erwägung, die das Kommen des Reiches Gottes mit der Vorgehensweise des Parakleten erklärt, der »Geist der Milde ist, Geist der Demut, Geist des Gehorsams, Geist der Einfachheit«. Und es sei der Geist, »der das Reich Gottes im Innern wachsen lässt, es sind nicht die Pastoralpläne, die großen Dinge…«

Es handle sich, so Franziskus, um ein verborgenes Wirken. Der Geist »lässt wachsen, und es kommt der Augenblick, da die Frucht zu Tage tritt«. Ein Wirken, das sich einem vollen Verständnis entziehe: »Wer hat da den Samen des Reiches Gottes im Herzen des guten Schächers ausgesät?«, fragte sich der Papst: »Vielleicht die Mutter, als sie ihn beten lehrte… Vielleicht ein Rabbiner, als er das Gesetz erklärte…« Sicher sei, dass jener Same, obwohl er dies im Leben vergessen hatte, im Verborgenen an einem gewissen Punkt gewachsen sei. All dies geschehe, weil »das Reich Gottes immer eine Überraschung ist, eine Überraschung, die sich einstellt«, da es »ein Geschenk des Herrn ist«.

Im Gespräch mit den Gesetzeslehrern gehe Jesus auf die Charakteristik dieses stillen Wirkens ein: »Das Reich Gottes kommt nicht in die Welt und zieht dabei die Aufmerksamkeit auf sich, und keiner wird sagen: ›Seht, hier ist es! oder: Dort ist es!‹« Denn, so fügte der Papst hinzu, »das Reich Gottes ist kein Spektakel« oder gar »ein Karneval «. Es zeige sich nicht »mit Hochmut, mit Stolz, es liebt keine Öffentlichkeit«, sondern »es ist demütig, verborgen, und so wächst es«. Ein erhellendes Beispiel komme von Maria. Als die Leute sahen, wie sie Jesus nachfolgte, hätten sie sie kaum erkannt (»Ach, das ist die Mutter… «). Sie sei »die heiligste Frau« gewesen, aber da sie es »im Verborgenen« gewesen sei, hätte keiner um »das Geheimnis des Reiches Gottes, die Heiligkeit des Reiches Gottes« gewusst. Und »als sie unter dem Kreuz des Sohnes stand, sagten die Leute: ›Die arme Frau mit diesem Kriminellen als Sohn, die arme Frau…‹ Niemand hätte verstanden, »keiner wusste Bescheid«.

Das Merkmal der Verborgenheit, erklärte der Papst, stamme vom Heiligen Geist, der »in uns« ist: er sei es, »der den Samen wachsen lässt, der ihn aufkeimen lässt, bis er Frucht trägt«. Und wir alle seien aufgerufen, diesen Weg zu beschreiten: »Das ist eine Berufung, es ist eine Gnade, ein Geschenk. Es ist unentgeltlich, man kann es nicht kaufen. Es ist eine Gnade, die Gott uns gibt.«

Deshalb, so der Papst abschließend, sei es gut, dass »wir alle, die wir getauft sind«, die »wir den Heiligen Geist in uns haben«, uns fragten: »Wie steht es um meine Beziehung zum Heiligen Geist, der in mir das Reich Gottes wachsen lässt?« Denn man müsse zu verstehen suchen: »Glaube ich wirklich, dass das Reich Gottes mitten unter uns ist, dass es verborgen ist? Oder gefällt mir das Spektakel besser?« Es sei notwendig, zum »Heiligen Geist, der in uns ist, zu beten«, um ihn um die Gnade zu bitten, »dass er in uns und in der Kirche kraftvoll den Samen des Reiches Gottes aufkeimen lasse, damit es groß werde, vielen Menschen Zuflucht gewähre und Früchte der Heiligkeit schenke«.

 



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