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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Eine ansteckende Mütterlichkeit

Dienstag, 15. September  2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 39, 25. September 2015

 

Inmitten einer »verwaist« wirkenden Welt gibt es die Hoffnung auf eine »ansteckende Mütterlichkeit«, die Aufnahmebereitschaft, Zärtlichkeit und Vergebung bringt. Am Fest Gedächtnis der Schmerzen Mariens widmete Papst Franziskus seine Reflexion der Mütterlichkeit Mariens und der Kirche, die sich in Ermangelung dieser Eigenschaft zu einer »erstarrten Vereinigung« reduzieren würde. Die Predigt, die der Papst im Laufe der Messe hielt, die er am Dienstag, 15. September, in Gegenwart des Kardinalsrats in Santa Marta feierte, ging vom Tagesevangelium (Joh 19,25-27) aus: »›Frau, siehe, dein Sohn!‹ Dann sagte er zu dem Jünger: ›Siehe, deine Mutter!‹« »Das ist das zweite Mal«, so betonte er, »dass Maria von ihrem Sohn mit ›Frau‹ angesprochen wird«. Das erste Mal sei das tatsächlich in Kana geschehen, wo Jesus zu seiner Mutter sage: »Meine Stunde ist noch nicht gekommen«; das zweite Mal geschehe es hier, unter dem Kreuz, als er ihr einen Sohn zuweise.

Zu beachten sei, dass »sie jenes erste Mal, als sie das Wort Jesu hörte«, anschließend selbst die Lage in die Hand nehme, indem sie zu den Dienern sage: »Was er euch sagt, das tut!« Dieses Mal aber sei es Jesus, der die Initiative ergreife: »Frau, siehe, dein Sohn!« Und in diesem Augenblick, so sagte Franziskus, werde »Maria ein zweites Mal Mutter«. Das heiße, dass sich ihre Mutterschaft »ausweitet auf die Gestalt dieses neuen Sohnes, sie weitet sich aus auf die gesamte Kirche und auf die gesamte Menschheit«. Und wir können uns heute »Maria nicht anders denn als Mutter vorstellen «. Und in dieser unserer Zeit, in der man, wie der Papst bekräftigte, ein Gefühl der »Verwaisung « spüre, habe dieses Wort »eine gewichtige Bedeutung«. In dem Verständnis, dass Jesus uns sage: »Ich lasse euch nicht als Waisen zurück, ich gebe euch eine Mutter«. Ein Vermächtnis, das zugleich auch »unser Stolz« sei: »Wir haben eine Mutter, die bei uns ist, die uns auch in schweren Zeiten, in schlimmen Augenblicken beschützt, begleitet und hilft«.

Um diese Überlegung besser belegen zu können, erinnerte der Papst an die Tradition der alten russischen Mönche, die »in den Augenblicken geistlicher Anfechtungen« zu sagen pflegen, dass wir »unter den Schutzmantel der heiligen Gottesmutter flüchten« sollen. Das sei ein Rat, der auch »im ersten lateinischen Marien-Antiphon: Sub tuum praesidium confugimus [Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir]« Bestätigung finde. In diesem ersten Gebet fänden wir die »Mutter, die uns aufnimmt, uns beschützt und sich unser annimmt«. Aber, so fügte der Papst hinzu, »wir können sagen, dass diese Mütterlichkeit Mariens darüber noch hinausgeht« und »ansteckend« sei. In der Tat könnten wir uns, wenn wir die Reflexionen des alten Abtes des Klosters von Stella, Isaak, heranzögen, darüber bewusst werden, dass es außer der »Mütterlichkeit Mariens« auch »eine zweite Mütterlichkeit« gebe, jene »der Kirche«, »unserer ›heiligen Mutter Kirche‹, die uns in der Taufe hervorbringt und uns in ihrer Gemeinschaft wachsen lässt« und die diese der Mütterlichkeit eigentümlichen Verhaltensweisen aufweise: »die Sanftmut, die Güte; die Mutter Maria und die Mutter Kirche wissen ihre Kinder zu liebkosen, sie schenken Zärtlichkeit«.

Das, so betonte Franziskus, sei eine grundlegende Eigenschaft: sich die Kirche ohne diese Mütterlichkeit vorzustellen sei tatsächlich so, als stelle man sich »eine erstarrte Vereinigung vor, eine Vereinigung, der es an menschlicher Wärme ermangelt, die verwaist ist«. Die Kirche hingegen »ist Mutter und empfängt uns wie eine Mutter:  die Mutter Maria, die Mutter Kirche«. Und das sei noch nicht alles. Es sei erneut Abt Isaak, der dem noch ein weiteres Detail hinzufüge, das uns, wie der Papst sagte, »schockieren« könne, und zwar, dass »auch unsere Seele Mutter ist«, dass auch in uns eine Mütterlichkeit präsent sei, »die in der Haltung der Demut, der Aufnahmebereitschaft, des Verständnisses, der Güte, der Vergebung und der Zärtlichkeit zum Ausdruck kommt«.

Jede einzelne dieser »Mutterschaften« leite sich gerade aus den »Worten Jesu an seine Mutter« ab, die unter dem Kreuz gestanden habe. Und wo es Mütterlichkeit gebe, so erläuterte der Papst, da »ist Leben, herrscht Freude, gibt es Frieden, wächst man in Frieden heran«, wogegen da, wo sie fehle, nichts weiter bleibe als »Strenge und Disziplin« und wo, so fügte er hinzu, »man nicht zu Lächeln versteht«. Daraus leitete er die Aufforderung ab, daran zu denken, dass »es eines der schönsten und menschlichsten Dinge ist, einem Kind zuzulächeln und es dazu zu bringen, zurückzulächeln«. Indem er schließlich diese Reflexion auf die eucharistische Feier anwandte, schloss der Papst: »Nun wollen wir an das Kreuzesopfer erinnern, Jesus kommt unter uns und wiederholt erneut sein Opfer für uns, und auch seine Mutter« sei im eucharistischen Opfer präsent, alle beide seien dies, »wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise: die Mutter im Geiste, er als Realpräsenz«.

Unser Gebet zum Herrn laute, dass er »uns auch heute« in jenem Augenblick, in dem »er sich erneut dem Vater für uns anbietet«, die Worte »vernehmen lässt: Mein Sohn, siehe deine Mutter!«

 



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