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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Wie man Frieden stiftet

Donnerstag, 10. September  2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 38, 18. September 2015

 

»Parole, parole, parole« [Worte, Worte, Worte]: so sang einst Mina in einem berühmten Schlager. Der Papst wiederholte diesen Refrain, um an das Wesentliche des »christlichen Stils« zu erinnern. Bei ihm sollte es um das Wortpaar »Friede und Barmherzigkeit« gehen, um Vergebung und die Fähigkeit, sich gegenseitig zu ertragen – gerade ohne viel Geschwätz und schöne Worte. In der Frühmesse, die Franziskus am Donnerstag, 10. September, in Santa Marta feierte, erinnerte er an die großen Kriege, die geführt werden, mit der Schande des Waffenhandels, wie auch an die Kleinkriege, die Familien, Arbeitsplätze und selbst die christlichen Gemeinschaften zerfleischen. »Vor einigen Tagen«, so erinnerte der Papst zunächst, »sprach die Liturgie vom Werk, das Jesus Christus, der Herr, vollbracht hat: dem Werk der Friedensstiftung und der Versöhnung.« Und er fügte hinzu: »Vorgestern, am liturgischen Fest der Geburt Mariens, haben wir um diese Gnade des Friedens und der Versöhnung gebetet.«

»Friede und Versöhnung« also sei das, was »Jesus getan hat: Er hat Frieden gestiftet.« Gerade deshalb werde er »Friedensfürst« genannt. Der Prophet Micha sage in diesem Kontext: »Und er wird der Friede sein«, der, »der den Frieden bringt, der Frieden stiftet«. Auch »in unseren Herzen, in unseren Seelen«, so Franziskus. »Und wie hat er Frieden gestiftet? Indem er sein Leben als Opfer dargebracht hat, als Gebet um Vergebung für alle.« »Ich frage mich«, fuhr der Papst fort, »ob wir für diese Gabe des Friedens, den wir durch Jesus erhalten haben, genug danken.« Denn »der Frieden ist gestiftet worden, aber er wurde nicht angenommen «. Und daher »sehen wir nach wie vor jeden Tag in den Nachrichtensendungen, in den Zeitungen, dass es Kriege gibt, Zerstörung, Hass, Feindschaft. Und jene Feindschaft, die der Herr nach dem Sündenfall der Schlange angekündigt hat, existiert!«

Im Übrigen »gibt es auch Männer und Frauen, die viel arbeiten – ja, sehr viel arbeiten! –, um tödliche Waffen herzustellen, Waffen, die schließlich mit dem Blut vieler Unschuldiger befleckt werden, dem Blut vieler Menschen«. Es gebe »Kriege und diese Bosheit, zum Krieg aufzurüsten, Waffen gegen den Nächsten zu schmieden, um zu töten«. In der Sache herrsche Klarheit: »Der Friede rettet, der Friede ermöglicht es dir, zu leben, zu wachsen; der Krieg vernichtet dich, er zieht dich runter.« Es geschehe oft, dass die Menschen sagten: »Vater, was dort geschehen ist, ist furchtbar!« Aber gewisse Situationen, so Franziskus, gebe es keineswegs nur in weiter Ferne von uns: »Es gibt auch in unseren christlichen Gemeinschaften Krieg, zwischen uns.« Und als Antwort darauf wiederholte der Papst »den Rat, den uns die Liturgie heute erteilt: ›Schließt Frieden untereinander‹«, eine Anspielung auf die Schriftlesung aus dem Kolosserbrief (3,12-17).

Folglich »gibt es zwei Schlüsselwörter«. Das erste »ist die Vergebung: Wenn wir nicht lernen, einander zu vergeben, dann werden wir immer Krieg führen.« Darauf beziehe sich die Aufforderung des Paulus: »Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!« Aber »wenn du nicht zu vergeben verstehst«, fügte Franziskus hinzu, »dann bist du kein Christ, denn du tust nicht das, was der Herr getan hat«. Mehr noch: »Wenn du nicht vergibst, dann kannst du den Frieden des Herrn nicht erhalten, die Vergebung des Herrn.« Der Papst erinnerte, dass »wir im Vaterunser täglich beten: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.« »Und das«, so erläuterte er, »ist eine ›Voraussetzung‹: Wir wollen Gott überzeugen, gütig zu sein, wie auch wir gütig sind, wenn wir vergeben: es wird umgekehrt.« Der Papst kommentierte: »Worte, nicht wahr? So wie in diesem schönen Lied: ›Worte, Worte, Worte‹, nicht wahr? Ich glaube, dass Mina das gesungen hat… Worte!« Das sei der rechte Weg: »Vergebt einander! Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Vergebt einander! Und um vergeben zu können, gebe ich euch einen schönen Rat: Ertragt euch in der Familie, im Stadtviertel, bei der Arbeit… Ertragt euch gegenseitig!« Ohne vor euch hinzubrummen: »Dieser hat jenes getan…« Man müsse »ertragen, da der andere auch mich erträgt «. In einem Wort, man brauche die »christliche Geduld«.

»Wie viele heldenmütige Frauen«, fuhr Franziskus fort, »gibt es doch in unserem Volk, die für das Wohl der Familie, der Kinder sehr viel Brutalität, zahllose Ungerechtigkeiten ertragen: sie erdulden es und bringen die Familie voran«. Und auch: »Wie viele heldenmütige Männer gibt es doch in unserem christlichen Volk, die es ertragen, frühmorgens aufzustehen und zur Arbeit zu gehen – wie oft handelt es sich dabei um eine ungerechte, schlecht bezahlte Arbeit –, um spät abends heimzukommen, damit sie ihre Frau und Kinder ernähren können.«

Aber »wie viele andere gibt es doch, die anstatt zu tun, was sie tun sollen, ihre Zunge in Bewegung setzen und einen Krieg anzetteln«. Franziskus unterstrich: »Denselben Schaden, den eine Bombe in einem kleinen Dorf anrichtet, kann die Zunge in einer Familie, in einem Stadtviertel, an einem Arbeitsplatz anrichten.« Denn »die Zunge zerstört, sie zettelt Krieg an«. Und »das sage nicht etwa ich, das sagt der Apostel Jakobus«. Daher wiederholte er den praktischen Rat des heiligen Paulus: »Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr einander! Ertragt einander und vergebt einander.« »Es gibt ein weiteres Wort«, so erläuterte der Papst, »das Jesus im Evangelium spricht, wo vom selben Thema die Rede ist: Barmherzigkeit.« Im Tagesevangelium (Lk 6,27-38) sage der Herr: »Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!« Die Aufforderung laute, »die anderen zu verstehen, statt sie zu verurteilen: Der Herr, der Vater ist sehr barmherzig, er vergibt uns immer, er will immer mit uns Frieden schließen.« Aber wie »kann der Herr, wenn du nicht barmherzig bist, dir gegenüber barmherzig sein? Denn wir werden am selben Maßstab gemessen, mit dem wir die anderen beurteilen.«

Franziskus unterstrich: »Wenn du ein Priester bist und dich nicht in der Lage fühlst, barmherzig zu sein, dann bitte deinen Bischof um eine Arbeit in der Verwaltung, aber bitte geh nicht in den Beichtstuhl!« Denn »ein Priester, der nicht barmherzig ist, richtet im Beichtstuhl viel Schaden an: er schlägt auf die Leute ein!« Jemand könne sich vielleicht rechtfertigen, indem er sage: »Nein, Vater, ich bin barmherzig, aber ich bin etwas nervös… « Die Antwort des Papstes darauf lautete: »Es ist wahr – und bevor du in den Beichtstuhl gehst, geh zum Arzt, damit er dir eine Tablette für deine Nerven verschreibt! Aber sei barmherzig!« Und wir sollten »auch untereinander barmherzig sein«. Statt uns zu beschweren – »aber dieser da hat das getan…« –, sollten wir uns fragen: »Was habe ich getan?« Wer könne im Übrigen sagen: »Dieser da ist ein größerer Sünder als ich?

Keiner von uns kann das sagen. Nur der Herr weiß es.« Wir alle, so fuhr der Papst fort, »können sagen: ›Ich bin ein Sünder, und ich brauche Barmherzigkeit und Vergebung. Und aus diesem Grunde ertrage ich die anderen, vergebe ich den anderen und bin den anderen gegenüber barmherzig.‹ « Und »wenn dies die Haltung ist, dann ist der christliche Stil der, den Paulus die Seinen lehrt: ›Bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld‹«, wie dies im Kolosserbrief zu lesen sei. Gerade das sei der »Stil des Christen: nicht der Hochmut, nicht die Verurteilung und nicht das Schlecht-Reden über die anderen«. Der christliche Stil sei »zärtliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Geduld«. Das sei letztendlich »der Stil Jesu, der Stil, mit dem Jesus Frieden und Versöhnung gestiftet hat, bis ans Ende«. Deshalb habe »am Ende, in den letzten Atemzügen, der Schächer jene Worte Jesu hören dürfen: ›Ja, ja, ja, komm mit mir, mein Lieber, komm ins Paradies.‹«

Franziskus beendete seine Meditation mit einem Gebet: »Der Herr möge uns allen die Gnade schenken, uns gegenseitig zu ertragen, zu vergeben, barmherzig zu sein, so wie der Herr uns gegenüber barmherzig ist, und diesen christlichen Stil des Erbarmens, der Güte, Demut, Milde und Geduld zu haben.«

 



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