Index   Back Top Print

[ DE ]

PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTAE"

 

Die Hoffnung, diese Unbekannte

Dienstag, 29. Oktober 2013

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 45, 8. November 2013

 

Die Hoffnung ist die demütigste der drei theologischen Tugenden, denn im Leben verbirgt sie sich. Gleichwohl verändert sie uns in unserem tiefsten Inneren, gerade so, wie »eine Schwangere eine Frau ist«, es aber doch so sei, dass sie sich verwandle, weil sie Mutter werde. Heute früh, Dienstag, 29. Oktober, sprach Papst Franziskus im Verlauf der Messe, die er in Santa Marta feierte, über die Hoffnung, wobei er über das Verhalten der Christen nachdachte, die auf die Offenbarung des Gottessohnes warteten. Diese Haltung sei verbunden mit der Hoffnung, einer Tugend, so der Papst, die sich als stärker als die Leiden erwiesen habe, wie es der hl. Paulus im Römerbrief schreibe (8,18-25). »Paulus «, so merkte der Papst an, »bezieht sich auf die Leiden seiner Gegenwart, sagt aber auch, dass sie nichts bedeuten im Vergleich zur künftigen Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll.« Der Apostel spreche von »sehnsüchtigem Warten«, von der Erwartung der Offenbarung, die die gesamte Schöpfung betrifft. »Diese Erwartung ist die Hoffnung«, sagte der Papst, »und in der Hoffnung leben heißt in dieser Erwartung leben, in der Erwartung des Offenbarwerdens des Gottessohnes, wenn die gesamte Schöpfung »und auch jeder einzelne von uns« von der Sklaverei befreit wird, »um in die Herrlichkeit der Kinder Gottes einzugehen«.

»Paulus«, fuhr der Papst dann fort, »spricht zu uns über die Hoffnung. Auch im vorhergehenden Kapitel des Römerbriefes hat er über die Hoffnung gesprochen. Er hat uns gesagt, dass die Hoffnung nicht enttäuscht, sie ist gewiss.« Gleichwohl sei sie nicht leicht zu verstehen, hoffen heiße nicht, Optimist zu sein. »Hoffnung ist nicht Optimismus, es handelt sich bei ihr nicht um jene Fähigkeit, die Dinge positiv zu sehen und weiterzumachen «, sie sei aber auch nicht einfach eine positive Einstellung wie diejenige gewisser »strahlender, positiver Menschen«. Das, so der Papst, »ist eine gute Sache, aber es ist keine Hoffnung.«

Man sagt, so fuhr er fort, dass sie »die demütigste der drei Tugenden sei, weil sie sich im Leben verbirgt. Den Glauben sieht man, man hört ihn, man weiß, was er ist; die Nächstenliebe übt man, man weiß, was sie ist. Aber was ist die Hoffnung? « Die Antwort des Papstes lautete: »Um uns der Sache etwas anzunähern, können wir zunächst sagen, dass sie ein Risiko ist. Die Hoffnung ist eine riskante Tugend, eine Tugend, die in der sehnsüchtigen Erwartung des Offenbarwerdens des Gottessohnes besteht, wie der hl. Paulus sagt. Sie ist keine Illusion. Die Israeliten hatten sie«, die, als sie aus der Sklaverei befreit wurden, sagten: »Da waren wir alle wie Träumende. Da war unser Mund voll Lachen und unsere Zunge voll Jubel.«

Das, so erläuterte der Papst, werde bei der Offenbarung des Gottessohnes geschehen. »Hoffnung haben heißt gerade dies: In der Erwartung dieses Offenbarwerdens, dieser Freude zu sein, die unser Mund mit Lachen erfüllen wird.« Der Papst rief aus: »Dieses Bild ist schön!«, und fuhr fort: »Die ersten Christen stellten sich die Hoffnung vor wie einen Anker. Die Hoffnung war ein Anker«; ein Anker, der im Ufer des Jenseits verankert war. Unser Leben ist so, als schritten wir über das Ankertau zu diesem Anker hin. »Aber wo sind wir verankert?« fragte sich der Bischof von Rom. »Sind wir genau da verankert, am Ufer jenes so fernen Ozeans, oder ankern wir in einer künstlichen Lagune, die wir geschaffen haben, durch unsere Regeln, unsere Verhaltensweisen, unsere Zeitpläne, unsere Klerikalismen, unsere ekklesiastischen Verhaltensweisen – nicht die kirchlichen, nicht wahr? Ankern wir da, wo alles bequem und sicher ist? Das ist keine Hoffnung.«

Paulus »sucht noch ein weiteres Bild für die Hoffnung«, fügte der Papst hinzu, »und zwar das der Geburt. In der Tat wissen wir, dass die gesamte Schöpfung, und auch wir zusammen mit der Schöpfung, ›bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt‹. Nicht nur sie, sondern auch wir, die als Erstlingsgabe den Heiligen Geist haben, seufzen – denkt an die Frau, die in Wehen liegt –, wir seufzen in unserem Herzen und warten. Wir warten. Das ist ein Geburtsvorgang.« Die Hoffnung, so fügte er hinzu, fügt sich in diese Dynamik des Leben-Schenkens ein. Das ist etwas, das unsichtbar abläuft auch für den, der »als Erstlingsgabe den Heiligen Geist« hat. Aber wir wissen, dass »der Heilige Geist am Werk ist. Das Evangelium«, so präzisierte der Papst unter Verweis auf die Schriftlesung aus dem Lukasevangelium (13,18-21), »sagt etwas hierzu. Der Heilige Geist wirkt in uns. Er wirkt so, als ob er ein Senfkorn wäre, winzig klein, aber im Inneren voller Leben und Kraft, und es wächst weiter, bis es ein Baum ist. Der Geist arbeitet wie der Sauerteig, der dazu imstande ist, alles Mehl zu durchsäuern. Genau so arbeitet der Geist.«

Die Hoffnung »ist eine Gnade, um die man bitten muss«. Der Papst erläuterte, dass »es eine Sache ist, in der Hoffnung zu leben, denn in der Hoffnung sind wir erlöst, und etwas anderes ist es, zu leben wie gute Christen und weiter nichts; in Erwartung des Offenbarwerdens leben oder gut leben nach den Geboten«; verankert sein am Ufer des Jenseits »oder geparkt in der künstlichen Lagune«. Der Papst wies, um diese Vorstellung zu erläutern, darauf hin, wie sich Marias Verhalten änderte – das »eines jungen Mädchens« –, als sie erfuhr, dass sie Mutter sein würde: »Sie geht hin und hilft und singt jenen Lobgesang.« Denn, so erklärte der Papst, »wenn eine Frau schwanger ist, ist sie Frau«, aber es ist so, als ob sie sich tief in ihrem Inneren verwandle, denn nun »ist sie Mutter«. Und die Hoffnung ist etwas Vergleichbares: »Unser Verhalten ändert sich.« Deshalb, so fügte er hinzu, »bitten wir um die Gnade, Männer und Frauen der Hoffnung zu sein«.

Abschließend wandte sich der Papst an eine Gruppe mexikanischer Priester, die den 25. Jahrestag ihrer Priesterweihe feierten, und wies dabei auf ein Marienbild, das sie ihm als Geschenk mitgebracht hatten: »Schaut auf eure Mutter, die Verkörperung der Hoffnung Amerikas. Schaut, sie ist als Schwangere dargestellt. Es ist die Muttergottes Amerikas, es ist die Muttergottes der Hoffnung. Bittet sie um die Gnade, dass die kommenden Jahre für euch Jahre der Hoffnung seien«, um die Gnade, »als Priester der Hoffnung zu leben«, die Hoffnung schenken.

 

 



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana