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PAPST FRANZISKUS

GENERALAUDIENZ

Petersplatz
Mittwoch, 25. September 2019

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Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!

Durch das Buch der Apostelgeschichte folgen wir weiter einem Weg: dem Weg des Evangeliums in der Welt. Der heilige Lukas zeigt mit großem Realismus sowohl die Fruchtbarkeit dieses Weges als auch das Aufkommen einiger Probleme innerhalb der christlichen Gemeinde. Von Anfang an hat es immer Probleme gegeben. Wie soll man die Unterschiede, die in ihrem Innern zusammen existieren, miteinander in Einklang bringen, ohne dass Gegensätze und Spaltungen entstehen?

Die Gemeinde nahm nicht nur Juden auf, sondern auch Griechen, also Menschen, die aus der Diaspora stammten, Nichtjuden, mit eigener Kultur und eigener Sensibilität und mit einer anderen Religion. Heute sagen wir »Heiden«. Und diese wurden aufgenommen. Dieses Zusammenleben führt zu einem schwachen und unstabilen Gleichgewicht; und angesichts der Schwierigkeiten tritt Zwietracht auf. Und was ist die schlimmste Zwietracht, die eine Gemeinde zerstört? Die Zwietracht des Geredes, die Zwietracht des Geschwätzes: Die Griechen murren aufgrund der Unachtsamkeit der Gemeinde gegenüber ihren Witwen.

Die Apostel setzen einen Unterscheidungsprozess in Gang, der darin besteht, die Schwierigkeiten gut in Erwägung zu ziehen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Sie finden einen Ausweg darin, die verschiedenen Aufgaben für ein ruhiges Wachstum des ganzen kirchlichen Leibes aufzuteilen, um weder den »Lauf« des Evangeliums noch die Fürsorge für die ärmeren Mitglieder zu vernachlässigen. Die Apostel werden sich immer mehr bewusst, dass ihre vorrangige Berufung das Gebet und die Verkündigung des Wortes Gottes ist: beten und das Evangelium verkünden. Und sie lösen das Problem, indem sie einen Kern von »sieben Männern von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit« (Apg 6,3) einsetzen, die sich, nachdem sie die Handauflegung empfangen haben, dem Dienst an den Tischen widmen sollen. Es handelt sich um die Diakone, die dafür geschaffen sind, für den Dienst. Der Diakon ist in der Kirche kein zweitrangiger Priester, sondern etwas anderes; er ist nicht für den Altar da, sondern für den Dienst. Er ist der Hüter des Dienstes in der Kirche. Wenn es einem Diakon zu sehr gefällt, zum Altar zu gehen, dann irrt er. Das ist nicht sein Weg. Dieses Zusammenspiel zwischen dem Dienst des Wortes und dem Dienst der Nächstenliebe stellt den Sauerteig dar, der den Leib der Kirche wachsen lässt.

Und die Apostel schaffen sieben Diakone, und unter den sieben »Diakonen« zeichnen sich insbesondere Stephanus und Philippus aus. Stephanus evangelisiert mit Kraft und »Parrhesia«, aber sein Wort stößt auf erbitterten Widerstand. Da sie keinen anderen Weg finden, ihn zum Aufgeben zu bewegen, was tun seine Gegner? Sie wählen die niederträchtigste Lösung, um einen Menschen zu vernichten: die Verleumdung oder das falsche Zeugnis. Und wir wissen, dass die Verleumdung immer tötet. Dieses »diabolische Krebsgeschwür«, das aus dem Willen heraus entsteht, den Ruf eines Menschen zu zerstören, greift auch den übrigen kirchlichen Leib an und fügt ihm schweren Schaden zu, wenn man sich aus niederträchtigem Interesse oder um die eigene Unzulänglichkeit zu verdecken zusammenschließt, um jemanden in den Schmutz zu ziehen.

Vor den Hohen Rat geführt und von falschen Zeugen angeklagt – dasselbe hatten sie mit Jesus getan, und dasselbe werden sie mit allen Märtyrern tun durch falsche Zeugen und Verleumdungen – verkündigt Stephanus eine Neuauslegung der Heilsgeschichte mit Christus als Mittelpunkt, um sich zu verteidigen. Und das Pascha des gestorbenen und auferstandenen Jesus ist der Schlüssel der ganzen Geschichte des Bundes. Angesichts dieses überreichen göttlichen Geschenks klagt Stephanus mutig die Heuchelei an, mit der die Propheten und auch Christus behandelt wurden. Und er ruft ihnen die Geschichte in Erinnerung, indem er sagt: »Welchen der Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Sie haben die getötet, die die Ankunft des Gerechten geweissagt haben, dessen Verräter und Mörder ihr jetzt geworden seid« (Apg 7,52). Er nimmt kein Blatt vor den Mund, sondern spricht deutlich, sagt die Wahrheit.

Das ruft die heftige Reaktion der Zuhörer hervor, und Stephanus wird zum Tode verurteilt, zur Steinigung verurteilt. Er zeugt jedoch von dem »Stoff«, aus dem der wahre Jünger Christi gemacht ist. Er sucht keine Auswege, appelliert nicht an Persönlichkeiten, die ihn retten könnten, sondern er legt sein Leben in die Hände des Herrn, und das Gebet des Stephanus in jenem Augenblick ist wunderschön: »Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!« (Apg 7,59) – und stirbt als Sohn Gottes, indem er vergibt: »Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!« (Apg 7,60). Diese Worte des Stephanus lehren uns, dass nicht die schönen Reden unsere Identität als Kinder Gottes offenbaren. Sondern nur die Hingabe des eigenen Lebens in die Hände des Vaters und die Vergebung gegenüber denen, die uns beleidigen, lassen uns die Qualität unseres Glaubens erkennen. Heute gibt es mehr Märtyrer als zu Beginn des Lebens der Kirche, und die Märtyrer sind überall. Die heutige Kirche ist reich an Märtyrern, sie ist getränkt mit ihrem Blut, das der »Same neuer Christen« ist (Tertullian, Apologeticum 50,13), und dem Gottesvolk Wachstum und Fruchtbarkeit versichert. Die Märtyrer sind keine »Heiligenbildchen «, sondern Männer und Frauen aus Fleisch und Blut. Sie haben – wie es in der Offenbarung heißt – »ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht« (7,14). Sie sind die wahren Sieger. Bitten auch wir den Herrn, dass wir, wenn wir auf die Märtyrer von gestern und von heute blicken, lernen können, ein erfülltes Leben zu führen und das Martyrium der täglichen Treue zum Evangelium und der Gleichgestaltung mit Christus anzunehmen.

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Herzlich grüße ich die Pilger aus den Ländern deutscher Sprache. Bitten wir darum, dass wir nach dem Vorbild des heiligen Stephanus durch unser Zeugnis des Glaubens und der Liebe den Menschen die Schönheit des Antlitzes Christi aufstrahlen lassen können.  

 



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