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PAPST FRANZISKUS

GENERALAUDIENZ

Petersplatz
Mittwoch, 28. Juni 2017

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Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Heute denken wir über die christliche Hoffnung als Stärke der Märtyrer nach. Als Jesus im Evangelium die Jünger aussendet, täuscht er sie nicht mit Vorspiegelungen von leichtem Erfolg. Im Gegenteil, er warnt sie ausdrücklich, dass die Verkündigung des Reiches Gottes immer Widerspruch mit sich bringt. Und er gebraucht auch einen extremen Ausdruck: »Ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst« – gehasst! – »werden« (Mt 10,22). Die Christen lieben, aber sie werden nicht immer geliebt. Von Anfang an stellt Jesus uns diese Wirklichkeit vor Augen: In mehr oder weniger starkem Maße findet das Glaubensbekenntnis in einer Atmosphäre der Feindseligkeit statt.

Die Christen sind also Männer und Frauen, die »gegen den Strom schwimmen«. Das ist normal:Da die Welt von der Sünde geprägt ist, die in verschiedenen Formen des Egoismus und des Unrechts zum Ausdruck kommt, geht derjenige, der Christus nachfolgt, in die entgegengesetzte Richtung. Nicht aus polemischem Geist, sondern aus Treue zur Logik des Reiches Gottes, die eine Logik der Hoffnung ist und in einen Lebensstil umgesetzt wird, der auf den Weisungen Jesu gründet.

Und die erste Weisung ist die Armut. Als Jesus die Seinen aussendet, scheint er mehr darauf bedacht zu sein, sie zu »entkleiden« als sie »einzukleiden«! Tatsächlich ist ein Christ, der nicht demütig und arm, losgelöst von Reichtum und Macht und vor allem losgelöst von sich selbst ist, Jesus nicht ähnlich. Der Christ geht seinen Weg in dieser Welt mit dem, was für den Weg wesentlich ist, aber mit dem Herzen voll Liebe. Die wahre Niederlage für den Christen oder die Christin besteht darin, in die Versuchung der Rache und der Gewalt zu geraten und Böses mit Bösem zu vergelten. Jesus sagt zu uns: »Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe« (Mt 10,16) – also ohne Zähne und Klauen, ohne Krallen, ohne Waffen. Der Christ muss vielmehr klug, zuweilen auch schlau sein; dies sind Tugenden, die von der Logik des Evangeliums akzeptiert werden. Aber die Gewalt nie. Um das Böse zu überwinden, kann man nicht die Methoden des Bösen teilen. Die einzige Stärke des Christen ist das Evangelium.

In schwierigen Zeiten muss man glauben, dass Jesus uns vorausgeht und nicht aufhört, seine Jünger zu begleiten. Die Verfolgung ist kein Widerspruch zum Evangelium, sondern sie ist ein Teil davon: Wenn man unseren Meister verfolgt hat, wie können wir dann hoffen, dass uns der Kampf erspart bleibt? Im Wirbel der Ereignisse darf der Christ jedoch nicht die Hoffnung verlieren und meinen, er sei verlassen worden. Jesus beruhigt die Seinen, indem er sagt: »Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt« (Mt 10,30). Das bedeutet, dass kein Leiden des Menschen, nicht einmal das winzigste und verborgene, unsichtbar ist vor den Augen Gottes.

Gott sieht, und gewiss schützt er; und er wird seine Erlösung schenken. Denn mitten unter uns ist Jemand, der stärker ist als das Böse, stärker als die kriminellen Vereinigungen, die dunklen Machenschaften, stärker als jene, die aus den Verzweifelten Profit schlagen, stärker als jene, die andere mit Arroganz unterdrücken… Jemand, der schon immer die Stimme des Blutes Abels gehört hat, das von der Erde aufschreit. Die Christen müssen sich also immer auf der »anderen Seite« der Welt, auf der von Gott gewählten Seite befinden: nicht Verfolger, sondern Verfolgte; nicht arrogant, sondern sanftmütig; keine Schaumschläger, sondern der Wahrheit unterworfen; keine Betrüger, sondern ehrliche Menschen.

Diese Treue zum Stil Jesu – der ein Stil der Hoffnung ist – bis zum Tod wird von den ersten Christen mit einem wunderschönen Namen bezeichnet: »Martyrium«. Das bedeutet »Zeugnis«. Es hätte viele andere Möglichkeiten gegeben, die vom Vokabular geboten wurden: Man hätte es Heroismus, Selbstverleugnung, Selbstaufopferung nennen können. Aber die Christen der ersten Stunde haben es mit einem Namen bezeichnet, der nach Jüngerschaft duftet. Die Märtyrer leben nicht für sich selbst, sie kämpfen nicht, um die eigenen Ideen zu behaupten, und sie nehmen den eigenen Tod nur aus Treue zum Evangelium auf sich.

Das Martyrium ist auch nicht das höchste Ideal des christlichen Lebens, denn über ihm steht die Liebe: die Liebe zu Gott und zum Nächsten. Das sagt der Apostel Paulus sehr gut im Hohelied der Liebe: »Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte, und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts« (1 Kor 13,3). Die Christen stößt die Vorstellung ab, dass Selbstmordattentäter als »Märtyrer« bezeichnet werden können: In ihrem Ende gibt es nichts, das auch nur annähernd der Haltung der Kinder Gottes entspräche. Manchmal, wenn wir die Geschichten vieler Märtyrer von gestern und von heute – sie sind zahlreicher als die Märtyrer der ersten Zeiten – lesen, staunen wir angesichts der Tapferkeit, mit der sie die Prüfung auf sich genommen haben. Diese Tapferkeit ist Zeichen der großen Hoffnung, die sie beseelte: die sichere Hoffnung, dass nichts und niemand sie scheiden konnte von der Liebe Gottes, die uns in Jesus Christus geschenkt ist (vgl. Röm 8,38-39).

Möge Gott uns stets die Kraft schenken, seine Zeugen zu sein. Er möge uns gewähren, die christliche Hoffnung vor allem im verborgenen Martyrium zu leben, indem wir unsere täglichen Pflichten gut und mit Liebe erfüllen. Danke.

* * *

Sehr herzlich grüße ich die Pilger deutscher Sprache, insbesondere die Jugendlichen aus dem Oldenburger Münsterland. Liebe Freunde, die Märtyrer haben alles für den Herrn gegeben. Bitten wir Gott, auch uns die Kraft zu schenken, seine Zeugen zu sein, vor allem im „verborgenen Martyrium des Alltags“, wenn wir unsere Aufgaben und Pflichten gut und mit Liebe zu erfüllen. Der Herr mache uns stark in der Hoffnung.

 


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