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PAPST FRANZISKUS

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 23. November 2016

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Katechese. 37. Beraten und Lehren

Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!

Nach Abschluss des Jubiläums kehren wir heute zum normalen Alltag zurück, aber es bleiben noch einige Reflexionen über die Werke der Barmherzigkeit, und so setzen wir sie fort. Die Reflexion über die geistigen Werke der Barmherzigkeit betrifft heute zwei eng miteinander verbundene Taten: Zweifelnden recht raten und Unwissende – also jene, die nicht wissen – lehren. Das Wort »Unwissende« ist recht heftig, aber es verweist auf jene, die etwas nicht wissen und die man belehren muss. Diese Werke kann man sowohl in einer einfachen, familiären, allen zugänglichen Dimension leben, als auch – besonders das zweite, das Lehren – auf einer eher institutionellen, organisierten Ebene. Denken wir zum Beispiel daran, wie viele Kinder noch an Analphabetismus leiden. Das ist unverständlich: In einer Welt, wo der technische und wissenschaftliche Fortschritt solche Höhen erreicht hat, gibt es Kinder, die Analphabeten sind! Das ist eine Ungerechtigkeit. Wie vielen Kindern mangelt es an Bildung. Das ist ein großes Unrecht, das die Würde des Menschen angreift. Ohne Bildung wird man außerdem leicht Opfer von Ausbeutung und verschiedener Formen sozialer Not.

Die Kirche hat im Laufe der Jahrhunderte die Notwendigkeit verspürt, sich im Bereich der Bildung zu engagieren, denn ihre Evangelisierungssendung bringt die Verpflichtung mit sich, den Ärmsten die Würde zurückzugeben. Von der ersten »Schule«, die im zweiten Jahrhundert hier in Rom vom heiligen Justinus gegründet wurde, damit die Christen die Heilige Schrift besser kennenlernen können, bis hin zum heiligen Josef Calasanz, der die ersten unentgeltlichen Volksschulen in Europa eröffnete, haben wir eine lange Reihe heiliger Männer und Frauen, die in verschiedenen Epochen den Benachteiligten Bildung gebracht haben, im Wissen, dass auf diesem Weg Elend und Diskrimination überwunden werden können.

Wie viele Christen – Laien, geweihte Brüder und Schwestern, Priester – haben ihr Leben der Bildung, der Erziehung von Kindern und Jugendlichen gewidmet. Das ist großartig: Ich lade euch ein, sie mit einem kräftigen Beifall zu ehren! [Beifall der Gläubigen]. Diese Pioniere der Bildung hatten das Werk der Barmherzigkeit bis ins Tiefste verstanden und daraus einen Lebensstil gemacht, um die Gesellschaft selbst zu verändern. Durch einfache Arbeit und wenige Strukturen konnten sie vielen Menschen die Würde zurückerstatten! Und die Bildung, die sie vermittelten, war oft auch auf die Arbeit ausgerichtet. Denken wir doch nur an den heiligen Johannes Bosco, der den Straßenkindern eine Berufsausbildung ermöglichte, durch das Oratorium und dann durch die Schulen, die Ämter. So sind viele verschiedene Berufsschulen entstanden, die zur Arbeit befähigt und gleichzeitig zu menschlichen und christlichen Werten erzogen haben. Die Bildung ist also wirklich eine besondere Form der Evangelisierung. Je mehr die Bildung wächst, desto mehr Gewissheit und Bewusstsein gibt es unter den Menschen. Wir alle brauchen das im Leben. Eine gute Bildung lehrt uns die kritische Methode, die auch eine gewisse Art von Zweifel enthält, der nützlich ist, um Fragen zu stellen und die erlangten Resultate zu überprüfen, im Hinblick auf größeres Wissen.

Das Werk der Barmherzigkeit, Zweifelnden recht zu raten, bezieht sich jedoch nicht auf diese Art von Zweifel. An den Zweifelnden Barmherzigkeit üben bedeutet vielmehr, Schmerz und Leid zu lindern, die aus Angst und Furcht kommen, die die Folgen des Zweifels sind. Daher ist es ein Akt wahrer Nächstenliebe, mit dem man einen Menschen in der von der Ungewissheit hervorgerufenen Schwachheit stützen will. Ich glaube, jemand könnte mich fragen: »Vater, ich habe aber viele Zweifel über den Glauben, was soll ich denn tun? Haben Sie niemals Zweifel? « Ich habe viele… Natürlich kommen jedem in einigen Augenblicken Zweifel! Die Zweifel, die den Glauben berühren, im positiven Sinne, sind ein Zeichen, dass wir Gott, Jesus und das Geheimnis seiner Liebe zu uns besser und tiefer kennenlernen wollen. »Ich habe einen Zweifel: Ich suche, studiere, schaue und bitte um Rat, was ich tun soll.« Das sind Zweifel, die wachsen lassen!

Es ist also gut, dass wir uns Fragen über unseren Glauben stellen, denn auf diese Weise werden wir angespornt, ihn zu vertiefen. Zweifel müssen jedoch auch überwunden werden. Dafür ist es notwendig, das Wort Gottes zu hören und zu verstehen, was es uns lehrt. Ein wichtiger Weg, der sehr dabei hilft, ist der Weg der Katechese, auf dem uns die Glaubensverkündigung im persönlichen und gemeinschaftlichen Leben begegnet. Und gleichzeitig gibt es einen weiteren, ebenso wichtigen Weg: den Weg, den Glauben möglichst viel zu leben. Wir dürfen aus dem Glauben keine abstrakte Theorie machen, wo die Zweifel sich vervielfachen. Machen wir vielmehr aus dem Glauben unser Leben. Versuchen wir, ihn im Dienst an den Brüdern – besonders den notleidenden – zu üben. Dann schwinden viele Zweifel, weil wir die Gegenwart Gottes und die Wahrheit des Evangeliums in der Liebe spüren, die ohne unser Verdienst in uns wohnt und die wir mit den anderen teilen.

Wie man sieht, liebe Brüder und Schwestern, sind auch diese beiden Werke der Barmherzigkeit unserem Leben nicht fern. Jeder von uns kann sich bemühen, sie zu leben, um das Wort des Herrn in die Tat umzusetzen, der sagt, dass das Geheimnis der Liebe Gottes nicht den Weisen und Klugen offenbart wurde, sondern den Unmündigen (vgl. Lk 10,21; Mt 11,25-26). Die tiefste Lehre, die wir vermitteln sollen, und die sicherste Gewissheit, den Zweifel zu überwinden, ist die Liebe, mit der Gott uns geliebt hat (vgl. 1 Joh 4,10): eine große, unentgeltliche und für immer geschenkte Liebe. Gott zieht seine Liebe nie zurück! Er geht stets voran und wartet; er schenkt für immer seine Liebe, für die wir eine starke Verantwortung spüren müssen, um ihre Zeugen zu sein, indem wir unseren Brüdern Barmherzigkeit schenken. Danke.

* * *

Mit Freude grüße ich alle deutschsprachigen Pilger, die an dieser Audienz teilnehmen. Die Werke der Barmherzigkeit helfen uns, den Glauben im Alltag konkret zu leben, vor allem im Dienst an den Notleidenden. So wollen wir der Liebe entsprechen, die Gott uns jeden Tag schenkt, und dafür sorgen, dass die göttliche Liebe uns und das Leben der Mitmenschen umwandelt. Der Herr segne und behüte euch allezeit.

 



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